Kritik und Empfehlungen für Deutschlands Digitalstrategie aus feministisch-intersektionaler Perspektive
Im August 2022 veröffentlichte die deutsche Bundesregierung ihre ressortübergreifende Digitalstrategie mit dem Versprechen, Ungerechtigkeiten im digitalen Zeitalter anzugehen. Ein Jahr später fehlt es an konkreten Fortschritten, die festgehaltenen Maßnahmen bleiben unzureichend. Wie können wir die digitale Zukunft gerechter und nachhaltiger gestalten? Dieses Paper betrachtet die Strategie aus einer feministisch-intersektionalen Perspektive, identifiziert die inhaltlichen Schwächen und leitet weiterführende Maßnahmen ab, um tatsächlich eine digitale Zukunft für alle zu gestalten. Deutschland braucht eine Digitalstrategie, die historische Ungerechtigkeiten und die Verfügbarkeit planetarer, sozialer und digitaler Ressourcen angemessen berücksichtigt. Partizipation, ökologische und soziale Verantwortung sowie gesellschaftliche Vielfalt müssen dabei an zentraler Stelle stehen.
Care und Digitalisierung weben ein Netz vielfältiger Zusammenhänge. Umso wichtiger erscheint dabei eine genuin netzfeministische Perspektive, die Sorgearbeit in einer umfassenden Digitalisierung vielfältiger Lebensbereiche ernst nimmt.
Care-Arbeit ist ein Kosmos unterschiedlicher Tätigkeiten: Sorgearbeit ist reproduktive Arbeit, insofern, als dass sie auf den Erhalt menschlichen Lebens abzielt und damit einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung leistet. Wenn Kinder nicht mehr den Weg in die Schule finden, Lebensmittel nicht mehr eingekauft und die Eltern nicht mehr unterstützt werden, dann stehen die Mühlen der Gesellschaft still. In all jene Felder halten digitale Anwendungen und Unterstützungen Einzug – sei es, weil wir unsere Lebensmittel bequem per App bestellen und nach Hause liefern können und auch die Reinigungskraft ganz unkompliziert per App vermittelt zu uns nach Hause kommen kann. Dienstleistungsangebote, die uns reproduktive Arbeiten abnehmen, werden in schier unendlichem Maße in die dafür vorgesehenen App-Stores gespült (Flink, Gorilla, Helping, etc).
Das ist jedoch nur ein kleiner Teil dessen, was sich über das Ineinandergreifen von Care und Digitalisierung betrachten lässt. Die Idee zum Dossier entstand vor der Beobachtung einer zunehmenden digitalen Begleitung des Prozesses des Eltern-Werdens und Eltern-Seins, aber auch der Entscheidung, nicht Eltern werden zu wollen. Einerseits geschieht dies in Form von Apps: Zyklus-Apps, Apps zur Verfolgung der Entwicklung des Fötus, zur Förderung der mentalen wie physischen Gesundheit während der Schwangerschaft, oder zur Förderung der Selbstbestimmung in der Schwangerschaft und während der Geburt. Andererseits bilden auch digitale Communities vor allem in sozialen Medien wie Instagram, Facebook oder Twitter einen wesentlichen Bezugspunkt reproduktiver Arbeit. Sie stellen neue Informationsnetzwerke dar, in denen Gleichgesinnte sich verbinden, Hilfe und Rat suchen, aber auch Anregungen und Empfehlungen aussprechen. Es entstehen neue Welten der #momtobe, #momsofinstagram oder der #momoftwo. Soziale Plattformen werden so zu zentralen Anlaufstellen für alle Neu-Eltern oder auch derjenigen, die keine werden wollen oder es sogar bereuen – #regrettingmotherhood. Darüber hinaus gibt es auch Apps, Menschen mit Kindern in ihrer Umgebung zusammenzubringen, um zu erleichtern andere Eltern kennenzulernen, eine Dating-App für Playdates mit den Kids sozusagen.
Hinter diesen Prozessen stehen grundlegende Forderungen feministischer Bewegungen, die zwar in unterschiedlichen Kontexten entstanden sind, doch trotzdem Gemeinsamkeiten aufzeigen. Es geht dabei vor allem um das Aufbrechen von patriarchalen Machtstrukturen und Ungleichheitsverhältnissen, die Diskriminierung fortführen und Ausschlüsse festigen und damit vor allem marginalisierte Personen aus den LGBTIQ+ und BIPoC Communities betreffen. Feministische Netzpolitik beschäftigt sich vor allem mit Fragen bezüglich Zugang zum und Teilhabe am Internet und digitalen Inhalten, Urheberrecht, Datenschutz, Überwachung, digitaler Öffentlichkeit sowie der Bekämpfung digitaler Gewalt.1 Diese grundlegenden feministischen Kämpfe um Zugang, Teilhabe, Repräsentanz, Sichtbarkeit, Schutz vor Überwachung und Gewalt finden sich auch in der Bewegung reproduktiver Rechte und sexueller Selbstbestimmung wieder. Darüber hinaus geht es auch um Gerechtigkeit, weshalb das Dossier auch auf das Konzept der reproduktiven Gerechtigkeit blickt, das in den 90er Jahren im Schwarzen Feminismus der USA entstand mit dem Ziel reproduktive Rechte mit sozialer Gerechtigkeit zu verknüpfen.2 Ziel dieses Dossiers ist es, Gemeinsamkeiten beider Konzepte herauszustellen und nach Visionen für eine gerechte, feministische, digitale Zukunft für alle Menschen – ob mit oder ohne Kinderwunsch – Ausschau zu halten.
Wir widmen uns reproduktiver Arbeit vor allem hinsichtlich der Rolle als Eltern – nicht nur bedingen Phasen der Schwangerschaft und damit letztlich die Geburt den Start neuer Beziehungsgeflechte – die Eltern-Kind-Beziehung wie auch Beziehungen zu anderen Eltern –, sie bringen im weiteren Verlauf mitunter auch neue reproduktive Tätigkeiten mit sich. Das umfasst sowohl die Arbeit und die Sorge um den eigenen Körper im Verlauf der Schwangerschaft wie auch die Sorge um das Heranwachsen des neuen Menschen, als auch im Anschluss daran die Umsorgung der Kinder und damit verbunden notwendigerweise weiterer anfallender Arbeiten. Neben den konkret materialistischen Aspekten wird der Prozess jedoch auch von neuen Zuschreibungen begleitet. Hier spielen Rollenerwartungen an (Nicht-)Eltern ebenso eine Rolle wie Geschlechterstereotype. Eltern-Werden oder -Sein geht auf besondere Weise mit der Perpetuierung verschiedener Geschlechterrollen einher – sei es das vermeintliche „Mutterideal“ oder das Sprechen über die neue „Vaterrolle“ oder aber das Ziel der Vereinbarkeit oder der gerechten Aufteilung von Care-Arbeit.
Wie steht es also um reproduktive Gerechtigkeit in Zeiten umfassender Digitalisierung? Welches Bild von Schwangerschaft und Elternschaft entsteht etwa in sozialen Medien? Trägt dieses zur Selbstermächtigung und Selbstbestimmung in Bezug auf Reproduktion bei? Wie wird Sorgearbeit vermittelt und inszeniert? Wir fragen aber auch danach, welche Angebote zur Unterstützung von Sorgearbeit und reproduktiver Rechte digitale Infrastrukturen bieten und wie diese genutzt werden können, ein realistisches Bild von Sorgearbeit zu zeichnen und dadurch gerade eine gerechte Aufteilung zu fördern und so emanzipative Momente zeitigen.
Digitale Angebote – allen voran das Internet und speziell die sozialen Medien – stellen gegenwärtig einen zentralen Ort des Informationsaustausches und damit der Wissensvermittlung dar. Neue Rollen und neue Arbeiten müssen gelernt, routiniert und internalisiert werden. Digitalisierung hilft dabei, indem wir uns binnen Sekunden unzählige Informationen erklicken können. In schnelllebigen Formaten und kurzen Texten, wie sie in sozialen Medien vorherrschen und eine große Reichweite erzielen wollen (#tl:dr), sind Stereotypen häufig zu finden. Deutlich wird: Die Verrichtung von Care-Arbeit ist in hohem Maße begleitet von Zuschreibungen. Weit verbreitet und tief verankert ist etwa die Annahme, Frauen seien in besonderem Maße für die Verrichtung von Sorgearbeit geeignet, da sie besonders liebevoll, sensibel und auf die Bedürfnisse anderer ausgerichtet seien. Frauen, also weiblich sozialisierte Personen, seien qua Natur dahingehend veranlagt, die Bedürfnisse von anderen zu befriedigen. Gleiches gilt für die Zuschreibung als Mutter – Mütter sollen gerade ihre Kinder selbst betreuen, sie sollen aufopferungsbereit sein und Kindern ein liebevolles Zuhause geben. Das schließt nicht selten die Notwendigkeit eines “perfekten” Familienheims ein. All jene Zuschreibungen, imaginäre wie auch stereotype, werden in sozialen Netzwerken propagiert, zur Schau gestellt und letztlich auch zum Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzung und Kritik. Mit solchen Stereotypen bricht der Twitteraccount @MayamitKind. Erzählt wird hier der Alltag einer polyamoren Patchwork-Familie aus der Sicht einer trans Mama. In ihrem Audiobeitrag schildert Mayaden (nicht)emanzipativen Zusammenhang von Care-Arbeit und Digitalisierung. Maya spricht hier vor allem über die Bedeutung queerer Eltern-Communities in sozialen Netzwerken und den gleichzeitigen Herausforderungen im Umgang mit digitaler Gewalt in ebendiesen Räumen. Im Wiederabdruck des Missy-Artikels “Wer wird die Menschheit der Zukunft zur Welt bringen?” fordern Ulla Heinrichs und Anan Friesden engen Zusammenhang von Schwangerschaft und Weiblichkeit heraus, indem sie die Idee eines transhumanen Körpers durchspielen und so Schwangerschaft in nicht-binären Kategorien denken.
Lange schon hält sich die Beobachtung, dass gerade in heterosexuellen Beziehungen die Geburt von Kindern zu Re-Traditionalisierungsprozessen führe. Gemeint ist damit der Umstand, dass es überwiegend Frauen sind, die die neu anfallenden Tätigkeiten – insbesondere die Betreuung der Kinder – übernehmen – und das, obwohl sie in gleichberechtigten Beziehungen leb(t)en. Damit schreibt sich entgegen einer vermeintlichen Annahme einer zunehmenden Gleichberechtigung der Geschlechter vielmehr eine „Persistenz geschlechterdifferenzierter Arbeitsteilung“ fort (Müller/Zilien 2016: 410). Doch wie lässt sich dies erklären? Unterschiedliche Untersuchungen zeigen, dass dies bereits gefördert wird, bevor Kinder überhaupt geboren werden. Schwangerschaften sind hierbei also ein besonders sensibler Zeitraum, was eine mögliche paritätische Aufteilung von Care-Arbeit betrifft. So zeigten etwa Studien, dass eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bereits in Geburtsvorbereitungen angestrebt werde, vor allem durch gezielte Ansprachen von Männern und Frauen und damit verbundenen traditionellen Zuschreibungen. Ein wichtiges Stichwort ist in diesem Kontext “mental load” – gemeint ist hier die Verantwortung, die mit der Organisation von alltäglichen Aufgaben einher geht, wobei diese kognitive Sorgearbeit als besonders belastend empfunden wird. Neben der aktiven Arbeit fallen hier vor allem das Drandenken und Nicht-Vergessen, das Kontrollieren und Nachfragen ins Gewicht. In ihrem Audiobeitrag geht Jo Lücke für uns genauer auf den Zusammenhang von Mental Load und Digitalisierung ein. Um genau diese (un)gerechte Aufgabenteilung plastisch zu veranschaulichen hat Johanna Fröhlich Zapataden Care-Rechner entwickelt. Ein erster Schritt kann, wie sie sagt, ”das Sichtbarmachen” eben jener ungerechten Verteilung sein. In ihrem Audiobeitrag stellt sie uns das Rechentool vor und erklärt, was sie zur Programmierung bewegt hat.
Solche Zuschreibungen schreiben sich in sozialen Netzwerken als Lernorte zukünftiger Eltern fort. Gerade hier lässt sich hinsichtlich zukünftiger Elternrollen eine Re-Traditionalisierung beobachten. Es sind zudem hauptsächlich weiße cis-Frauen in normativen Körpern, die ein traditionelles heteronormatives Bild von Familie vermarkten. Dies reproduziert Ausschlüsse von u.a. BIPoC Personen, nicht-binären Eltern, trans* Eltern oder queeren Eltern, die in diesem normativen Narrativ so gut wie nicht vorkommen. Das ist besonders heikel, da gerade werdene Eltern – und dabei insbesondere Mütter –, so Friederike Jage-D’Aprile, vermehrt nach Informationen auf sozialen Medien suchen und diese Plattformen auch von vor allem weißen, weiblich gelesene Personen in cis-heternormativen Beziehungen mit Beiträgen über Schwangerschaft, Kindererziehung und Care-Arbeit bespielt werden. So wird deutlich, dass gerade soziale Medien das Bedürfnis nach Wissen zu den Umständen des Familienlebens, von Schwangerschaft, Kindererziehung und Elternschaft zunehmend befriedigen – sie tun dies aber, wie Lisa Trautmann in ihrem Beitrag schreibt, indem sie „Frauen- und Mutterrolle[n] transportier[en], die eher den normativen Erwartungen von 1950 als 2020“ entsprechen. An vorderster Front steht die aufopferungsvolle Mutter, die sorglos Kinderbetreuung und Haushalt meistert – und wenn es gewünscht ist oder sein muss, auch gleich die Rolle einer erfolgreichen Unternehmerin verkörpert. Für solche Rollenbilder hat sich auf sozialen Medien der Begriff der erfolgreichen #Instamoms etabliert. Zwar zeigen auch die großen Profile hier und da Brüche im idyllischen Alltag – seien es Momente der Überforderung oder des Misslingens –, in erster Linie verkörpern sie alle jedoch ein Familien- bzw. Mutterideal, wie es auf sozialen Medien gesucht und erwartet wird: Perfekt, glanzvoll und zum Wohlfühlen, Probleme der Vereinbarkeit haben hier keinen Platz. Lisa Trautmann verwendet hier nicht als einzige die Zuschreibung einer toxic positivity. Im Wiederabdruck des Beitrags “KI can’t care. Mütterlichkeit im Zeitalter Künstlicher Intelligenz” von Hannah Lichtenthäler dass Mutterschaft in feministischen Diskursen oft als ein Randthema gilt. Sie setzt sich auf einer breiteren Ebene mit Bilder von Mutterschaft und Mütterlichkeit in digitalen Medien und im Kontext intelligenter Technologien auseinander und wie diese Wege aufzeigen könnten, das Thema aktiver in feministische Kämpfe einzubinden.
Dabei sollten wir nicht vergessen, dass soziale Medien meist von großen Tech-Unternehmen programmiert und bereitgestellt werden. Wie Lena Weberin ihrem Audio-Beitrag aufzeigt, besteht ein enger Zusammenhang zwischen ökonomischen Strukturen und Erwerbsarbeit, der sich auch im Digitalen fortschreibt. Hierbei gewinnt gerade jenes Unternehmen, welches die meisten und detailliertesten Daten über die eigenen User*innen generiert und diese gewinnbringend an Kund*innen vermitteln kann – damit diese wiederum gezielt Werbung für einen ausgewählten Personenkreis schalten und so den eigenen Absatz steigern. Gerade mit der Präsentation idyllischer Familienbilder und einer gelingenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf lässt sich eine Vielzahl an Bedürfnissen befriedigen. Sie stillen gerade in Krisenzeiten die Sehnsucht nach Normalität und lenken vielfach von den eigenen Problemen ab. Sie bieten vielfach Möglichkeiten zur Flucht aus der Realität – Wissensvermittlung und soziale Praktiken von Elternschaft sind somit in spezifische ökonomische Strukturen und damit zusammenhängende Interessen eingebettet. Soziale Medien sind auf das engste mit der Generierung von Einnahmen großer Tech-Unternehmen verbunden – und in diesem Kosmos nehmen eben jene reichweitenstarken #Instamoms eine wesentliche Rolle ein: Die Präsentation ihres privaten Familienlebens wird zum Beruf und ihr Handeln unterliegt nunmehr auch in hohem Maße ökonomischen Zwängen. Wie Ute Kalenderin ihrem Beitrag aufzeigt, besteht die Arbeit solcher “digitalen Hausfrauen” an dem unermüdlichen Posten von Beiträgen, dem Liken anderer Beiträge und dem Aufrechterhalten sozialer Netzwerke – dabei ist ein Großteil ihrer Arbeit jedoch nicht entlohnt, wie Ute Kalender schreibt, denn ein nicht unwesentlicher Teil “ihrer erwirtschafteten Gewinne geht […] nicht an sie sondern als Profite an die Plattformbesitzenden und Unternehmen. Mark Zuckerberg gehört bekanntlich zu den reichsten Menschen der Welt.” Diesen Eindruck unterstützt Chris Köver in ihrem Audiobeitrag. Über das Klicken und Liken hinaus, geht es vor allem darum digitale Sorgearbeit als solche anzuerkennen und zu verdeutlichen, dass Mikropraktiken auf sozialen Medien – das umfassende kommentieren und moderieren von Kommentaren unter Posts, das Anzeigen von Hassnachrichten und diffamierenden Bildern, das füreinander Dasein unter Betroffenen von digitaler Gewalt – zentrale Stütze des Plattformkapitalismus darstellen.
Wir sollten also die Aktivitäten und das Engagement in sozialen Netzwerken nicht lediglich als eine Form von Eskapismus abtun. Vielmehr sollten wir die sich dort entfaltenden Praktiken gerade in ihrer wirklichkeitsstiftenden Wirkung ernstnehmen. Durch die Präsentation spezifischer Geschlechterrollen wird ein Normalzustand konstruiert und festgeschrieben, der kaum Platz neben heterosexuellen Familienidealen lässt. Andere, realgelebte Modelle wie Freund*innenschaft, Patchwork, Alleinerziehende, Mehrelternschaft oder Wahlfamilien werden nicht nur ausgegrenzt, sondern fallen so hinter die gegenwärtig gelebte Realität weit zurück.
Doch die Strukturen der Wissensvermittlung im Digitalen sind vielfältig und dürfen nicht allein als in der Tendenz konservativ interpretiert werden. Die Vermittlung notwendiger und zum Teil lebensrettender Informationen geschieht über soziale Netzwerke hinaus. Gerade hier nehmen unterschiedliche digitale Infrastrukturen eine wichtige Rolle ein. Das zeigen etwa Initiativen wie Women on Web, die sich bereits seit 2005 für die Vermittlung von Informationen zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen und sich somit als digitales Beratungsangebot im Bereich der sicheren Abtreibung verstehen. Darüber hinaus unterstützt die kanadische gemeinnützige Organisation jedoch auch aktiv bei Abbrüchen: Sie bieten weltweit Online-Beratungen für Schwangerschaftsabbrüche an und leben so den ursprünglichen Netzwerk- und Emanzipationsgedanken des frühen Internets. Dabei hat sich die Arbeit von WoW professionalisiert: von einer Webseite des “pure[n] Chaos, sie war eine Art unzusammenhängendes Notizbuch von Rebecca [Rebecca Gomperts, die Gründerin von WoW], bestehend aus einer eklektischen Mischung von Texten und Bildern”, zu einem weltweiten digitalen Unterstützungsnetzwerk. Sie ist Raum persönlicher Erfahrungen und Geschichten, Ort wissenschaftlicher Informationen und Möglichkeit telemedizinischer Abtreibungen. Sie verstehen sich damit als Advokat*innen einer emanzipativen Gesundheitspolitik, die sich die Möglichkeitsräume digitaler Anwendungen in ermächtigender Weise zu eigen machen. Ebenfalls der Vermittlung sicheren Wissens rund um Schwangerschaftsabbrüche verschrieben haben sich Doctors for Choice – sie wollen ihr in langjähriger Erfahrung gesammeltes Wissen aus der Praxis im Sinne reproduktiver Rechte und Gerechtigkeit einsetzen. Dazu gehört in besonderem Maße, über die Möglichkeiten und Bedingungen von Abtreibungen zu informieren. In ihrem Beitrag für das Dossier stellen Jana Maeffert und Dani NikitenkoInformationen über den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch insbesondere in Deutschland zusammen und schildern, wie dieser digital begleitet und unterstützt wird. Sie machen deutlich, dass ein selbstbestimmter Abbruch in der eigenen vertrauten Umgebung nicht nur rechtlich möglich, sondern auch sicher und für die betroffenen Personen oftmals die richtige Wahl ist. Dabei ist auch diese Form der Wissensvermittlung nicht frei von Komplikationen So schildern WoW wie auch Doctors for Choice Probleme mit Falschinformationen, Abtreibungsgegner*innen oder Berichten von der Unterdrückung oder Löschung ihrer Informationen. Deutlich wird hier, wie umkämpft die Verbreitung von Wissen in digitalen Räumen ist, speziell über körperliche Selbstbestimmung und reproduktive Rechte, und dass aufklärerische und emanzipative Arbeit bis heute von Hürden und Schwierigkeiten geprägt ist. Derya Binışık richtet in ihrem Audiobeitrag ihren Blick ebenfalls auf reproduktive Gerechtigkeit im Kontext der digitalen Transformation, konkret mit Blick auf Reproduktionstechnologien. Gerade in diesem Kontext gelte es, alle Akteur*innen in den Blick zu nehmen und strukturelle Diskriminierung vorzubeugen. Dabei müssen uns immer wieder die Frage stellen, ob wir das, was technologisch möglich ist, wirklich wollen, und welche Interessen dabei in erster Linie vertreten werden.
In der Vermittlung von Wissen nehmen auch weitere digitale Infrastrukturen eine besondere Rolle ein. Gemein sind digitale Applikationen wie Apps, die elektronische Patient*innenakte oder Online-Kurse sowie Angebote im App-Bereich, die schwangere Personen in dieser Zeit begleiten, sind hier endlos. Wer einmal durch den App-Store nach Schwangerschaftsapps gescrollt hat, wird überwältigt und ratlos zurückgelassen, ganz ähnlich wie bei Zyklus-Trackings-Apps. Zudem ist es unersichtlich, was mit den ganzen Daten passiert, die all diese Apps sammeln. Die Suche nach einer Open-Source Alternative, die nur lokal die Daten auf dem Smartphone speichert, scheint vergeblich. Auch ein Blick in die einzelnen Apps zeichnet ein Bild einer Unzahl an wenig verwertbaren Informationen – “Dein Baby ist nun so groß wie eine Avocado”, “jetzt ist es an der Zeit mit deinem Partner über eine größere Wohnung oder vielleicht ein Haus nachzudenken”, “Tipps für den Papa: nimm deiner Frau Aufgaben im Haushalt ab” – und ist darüber hinaus an cis-heteronormativen Familienmodellen orientiert. Die Frage nach einer App, die sich an feministischen Standards messen lassen kann, taucht also unwillkürlich auf. Eine App, die die Selbstbestimmung in der Schwangerschaft in den Mittelpunkt rücken möchte, ist uma. Die App wurde von Hebammen gemeinsam mit Wissenschaftler*innen und werdenden Eltern entwickelt. Die ursprüngliche Idee dazu kam vonMirjam Peters– in ihrem Beitrag erläutert Mirjam, warum eine Schwangerschaft ein prägender Zeitraum ist, und weshalb gerade dann feministische Perspektiven eine so wichtige Rolle spielen und wie bzw. ob digitale Applikationen uns zu einer selbstbestimmten Schwangerschaft verhelfen können. Apps bieten dabei die Möglichkeit einer, wie Mirjam schreibt, “gute[n] gesundheitliche[n] Begleitung”. Sie bieten Ressourcen, um Schwangere gezielt anzusprechen: Sie sollen weder “verniedlicht, eingeschüchtert, von oben herab angesprochen” werden – dies verkleinere ihren Reaktionsraum und damit die Selbstbestimmung. Vielmehr gehe es darum, Apps als Möglichkeitsräume zu verstehen, die “eine Ansprache auf Augenhöhe” leben – und zwar indem unterschiedliche medizinische Optionen präsentiert, diskutiert und für schwangere Personen nachvollziehbar aufbebreitet werden. Die Komprimierung wissenschaftlichen Wissens in einer digitalen Applikation soll so zum Hebel einer selbstbestimmten Schwangerschaft werden.
Wenn es um körperliche Selbstbestimmung und reproduktive Rechte im Kontext des Digitalen geht, darf auch ein Blick in die Praxis nicht fehlen. So nehmen uns die beiden Hebammen Luisa Strunk und Francesca Orrumit in ihren Arbeitsalltag. Luisa Strunk geht in ihrem Beitrag auf den Einzug digitaler Anwendungen in ihrem Arbeitsalltag ein und wie sich dieser durch die Einführung der digitalen Patient*innenakte und der Möglichkeit von Online-Kursen sowie -Beratungen zunehmend verändert. Damit dies im Sinne der Praktiker*innen geschieht, fordert sie, dass “Hebammen in Zukunft beim Ausbau der Telematikinfrastruktur besser mitgedacht werden” müssen. Nur so können Prozesse der Digitalisierung nachhaltige, d.h. reproduktive Rechte fördernde Wirkung entfalten. Auch für Hebammen spielen die sozialen Medien zunehmend eine zentrale Rolle, wie Francesca Orru in ihrem Beitrag schildert. Sie können Mittel zum Zweck des Streikens und der dazu notwendigen Vernetzung sein, sowie auch als Medium für sexuelle Aufklärung rund um die Themen Geburt und Geschlecht dienen. Das veranschaulicht etwa der Instagram-Account und der zugehörige Blog von HalloHebamme. Doch mangelnde Transparenz und Zensur in sozialen Medien sind auch hier an der Tagesordnung – etwa indem die ökonomische Logik auf Reichweite setzt, welche allzu oft mit tradierten patriarchalen Strukturen verbunden ist und dabei der Selbstbestimmung von Gebärenden sowie ihren wichtigsten Helfer*innen, den Hebammen, allzu oft einen Strich durch die Rechnung machen.
In ihrem Audio-Beitrag wirft Mandy Mangler, Chefärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, für uns einen Blick auf den Zusammenhang von gynäkologischer Arbeit und Digitalisierung im Krankenhaus und lotet aus, wie die Digitalisierung im Krankenhaus eine Chance für die fürsorgliche Beziehung zwischen Patient*innen und Pflegepersonal darstellen kann. Katharina Mosene blick in ihrem Audiobeitrag ebenfalls in den Bereich Medizin und lotet Schwierigkeiten im Umgang mit der Digitalisierung aus – sei es im Bereich Datenschutz oder dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Fürsorge als Kern des allseits verwendeten Begriffs der Care-Arbeit meint das Für-andere-sorgen, sich kümmern, Verantwortung übernehmen. Dabei geht es natürlich um mehr als die Umsorgung von Kindern und schließt auch die Betreuung und Pflege von Angehörigen hohen Alters oder Menschen mit Behinderung ein. Auf diesen Zusammenhang geht Katharina Klappheck in einem Audiobeitrag für das Dossier genauer ein. Katharina macht deutlich, dass Menschen mit Behinderung nicht nur als Sorge-Empfänger*innen betrachtet werden dürfen, sondern selbst auch Sorgetätigkeiten leisten – und das auch im digitalen Raum. Im Wiederabdruck des Beitrags von Constanze Erhard mit dem Titel “Harmony’ Future I No Future w/o Harmony” werfen wir einen Blick auf das Thema Sexrobotik. Paula Ziethmann behandelt in ihrem Beitrag das Thema der Freund*innenschaft zwischen Mensch und Maschine und geht der Frage nach, ob Chatbots gegen menschliche Einsamkeit helfen können und somit eine wichtige Sorgetätigkeit leisten können.
Das Dossier beabsichtigt an dieser Stelle nicht, einen umfassenden Blick auf den Zusammenhang zwischen Care-Arbeit, reproduktiver Gerechtigkeit und Digitalisierung zu geben – vielmehr stellt es einen Startpunkt für eine in der Zukunft noch intensiver zu leistende Auseinandersetzung dar. Deutlich wird jedoch, dass auch im Digitalen weiterhin ein geschlechtsspezifisches Bild von Care-Arbeit vorherrscht, welches vor allem Frauen und weiblich gelesene Menschen in die Pflicht nimmt. Dass sich dieses Narrativ auch im digitalen Raum festigt, haben die Beobachtungen zu Elternschaft auf Instagram oder die mangelnde Transparenz sozialer Medien für feministische Themen wie die der Hebammenarbeit deutlich gemacht. Zwar haben sich die Möglichkeiten der Wissensvermittlung diversifiziert, ausschließlich emanzipatorisch sind diese jedoch keineswegs. Vielmehr prägen im Digitalen in hohem Maße ökonomische Verwertungslogiken die Handlungsmöglichkeiten. Damit kommt es zu einer spannungsgeladenen Gleichzeitigkeit: Während wir zunehmend beobachten, dass die Arbeit von Pflegeberufen und Care-Arbeit politisiert wird – wir denken hierbei vor allem an die Streiks von Pflegekräften etwa in den Berliner Krankenhäusern –, spielt sich im Digitalen eine monetäre Abwertung digitaler Sorgearbeit ab. Feministische Netzpolitik muss gerade zu solchen Entwicklungen Antworten suchen und in Zukunft finden.
Einige abschließende Worte zum Format des Dossiers. Das Dossier setzt sich aus längeren schriftlichen Beiträgen und kürzeren Audio-Beiträgen zusammen. Beide Formate nehmen dabei einen gleichwertigen Platz im Dossier ein und decken somit unterschiedliche Formate ab. Während die schriftlichen Beiträge meist mehr Raum haben, ein Thema grundlegender zu behandeln, sind die Audiobeiträge als Impulse gedacht und sollen sowohl knappe Einblicke, wie auch Denkanstöße leisten.
Eine Einführung in das Thema der reproduktiven Gerechtigkeit: Mehr als Selbstbestimmung! Kämpfe für reproduktive Gerechtigkeit (2021) herausgegeben von kitchen politics und mit Beiträgen von Loretta J. Ross, Susanne Schultz, Jin Haritaworn und Anthea Kyere. Erschienen bei edition assemblage.
Einsamkeit ist ein aktuelles Thema. Dabei gewinnt zunehmend die Frage an Relevanz, ob Roboter uns dabei helfen können, uns weniger allein zu fühlen. Was es heißt eine Freundschaft mit einer Maschine zu schließen, lotet der Beitrag auf und zeigt dabei mögliche Probleme und Grenzen auf.
In den letzten Jahren erlangte ein Problem neue Aufmerksamkeit: Einsamkeit. Schon lange vor der Covid-19 Pandemie und den Maßnahmen zum Schutz gegen die Krankheit wurde 2018 in Großbritannien das „Ministerium für Einsamkeit“ gegründet, um Menschen aus der Isolation und Anonymität zu bringen. Auch die zeitgenössische Literatur beschäftigt sich zunehmend mit dem Thema, so schreibt Daniel Schreiber in Allein (2021) über die Grenzen und Schnittstellen von selbstbestimmten Lebensentwürfen und Einsamkeit. Wie in so vielen Problemen und Krisen der Zeit wird versucht, der Gesellschaft eine technologische Lösung anzubieten: Chatbots gegen die Einsamkeit. So verspricht die App Replika, dass wir, wenn wir genug mit der KI der App chatten, eine*n AI Soulmate – also Seelenverwandte*n in ihr finden. Mehr als zehn Millionen Nutzer*innen erstellen sich mit Replika derzeit eine*n neue*n Freund*in.
Die Gründerin der App, Eugenia Kuyda, entwickelte die App nach dem Tod eines Freundes. Sie trainierte die KI mit alten Chatnachrichten von ihm, um Gespräche mit ihm zu replizieren – so entwickelte sich Replika. Auch jetzt lernt die App durch die eingegebenen Nachrichten der Nutzenden. Dabei reicht die Kommunikation von Small Talk bis hin zu intimen Gesprächen über Familie, Beruf und Liebe. Am Anfang kann man auswählen: Welches Geschlecht soll dein AI friend haben? Was für eine Beziehung möchtest du aufbauen: Friend, Romantic partner, Mentor, See how it goes?
Einen Chatbot als Freund*in zu haben, hat offensichtliche Vorteile: Dieser ist immer erreichbar. Immer freundlich. Er hört immer zu. Ein Nutzer gab an, mit Replika Sorgen besprechen zu können, die er bei seiner Partnerin nicht ansprechen kann. Weitergehend helfe Replika ihm, sich mit seinen Gedanken und Gefühlen zu befassen. Psychotherapeut André Kelber sagte dazu im dpa-Interview: „In einer Psychotherapie passiert ja auch nichts anderes, als dass man sich mit sich selbst auseinandersetzt“. Doch stellen sich einige Fragen: Welchen Unterschied macht es, ob ich einer sprachverarbeitenden Maschine oder einem Menschen meine Probleme erzähle? Kann ich mit einer Maschine eine Freundschaft führen? Oder ist es ein Problem, dass die Maschine das Interesse an meiner Person nur simuliert?
Was wir noch sehen: Manche Männer nutzen die App, um sich Partnerinnen zu erschaffen, die sie missbräuchlich behandeln können. Diese Interaktionen, jegliche Art von Beschimpfungen und sexistischen Schimpfwörtern werden bspw. als Trend bei Reddit gepostet. Üben diese Männer ihr missbräuchliches Verhalten auch an Menschen aus? Führt diese Art der Nutzung von Replika dazu, dass die Männer sich realen Personen gegenüber besser oder schlechter verhalten werden?
Beide Arten von Berichten zeigen das, was schon im oscarprämierten Film „Her“ gezeigt wurde: Die Gefühle sind echt, die simulierten Personen entgegenbracht werden. Wie fast alle technologischen Entwicklungen sind Chatbots weder nur schlecht noch nur gut. Doch wie jede Technik können sie allein keine Lösungen für gesellschaftliche Probleme bieten: Es kommt auf den Umgang mit der Technik und auf ihre Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Entwicklungen an.
Mir persönlich hilft bei einer Einschätzung von KI – ob ich mir über sie Sorgen machen sollte, oder sogar Hoffnungen haben könnte – Vorstellungen über die Zukunft: Wo wollen wir hin? Kann es ein Ziel sein, dass sich in Zukunft Menschen nur noch mit Chatbots unterhalten? Nein und das wäre auch höchstunwahrscheinlich. Kann ein Chatbot dabei helfen, sich von akuter Einsamkeit abzulenken und im besten Fall gemeinsam mit den Nutzenden Strategien zu entwickeln, sich aus dieser herauszubewegen? Wenn er so programmiert würde – wäre das eine reale Chance. Doch derzeit liegt die Entwicklung von Chatbots für Mental Health größtenteils in den Händen wirtschaftlicher Firmen. Hätten diese Firmen Interesse daran, einen Chatbot zu bauen, der dafür da ist, dass er bald nicht mehr benötigt wird? Ich denke nicht. Wir müssen also die eben genannten Wechselwirkungen von Technik und Gesellschaft ernstnehmen: Chatbots und die verwendete KI haben – in geeigneten, nicht profitorientierten Strukturen – Potenziale, mit uns zusammen für eine „bessere“ Welt zu wirken, auch was das Thema Einsamkeit angeht.
Dr. Lena Weber leitet zur Zeit das Team CEWS bei GESIS. Lena Weber hat Soziologie in Bielefeld, Paris und Gießen studiert. 2016 hat sie sich an der Universität Paderborn promoviert. Dort war sie auch Vertretungsprofessorin für Bildungssoziologie und hat das Wissenschaftskolleg „Data Society“ 2021 erfolgreich eingeworben. Von 2020-21 hat sie eine Interviewstudie mit Pflegekräften zu Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie durchgeführt, in der Digitalisierung auch thematisiert wurde. Zusammen mit Mara Kastein hat sie 2022 den Sammelband „Care-Arbeit und Gender in der digitalen Transformation“ herausgegeben. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Digitale Arbeit, Care work, Geschlechterungleichheiten in der Wissenschaft, geschlechtliche Arbeitsteilung, Gleichstellungspolitiken.
Bisher sind in Krankenhäusern in Deutschland technische Anwendungen noch nicht flächendeckend zu finden. Dabei kann gerade in Kliniken der Einsatz intelligenter Technik gewinnbringend für Sorge- und Pflegetätigkeiten sein – weil sie Arbeit abnimmt, erleichert und so Zeit für primäre Sorgearbeit gewonnen werden kann.
Hannah Lichtenthäler studierte im Bachelor und Master Nordamerikastudien mit den Schwerpunkten Medien, Kultur und Gender in Berlin, England und Michigan und schloss mit ihrer Masterarbeit zum Thema: „Re-imagining Feminism: Spike Lee’s She’s Gotta Have It as a Netflix Series” ab. Vor dem Studium absolvierte sie eine zweijährige bilinguale Ausbildung zur Industriekauffrau in Madrid. Sie arbeitet derzeit als Referentin für Medien und Digitales beim Kinderschutzbund Bundesverband und war zuvor als Projektkoordinatorin im Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie in der Heinrich-Böll-Stiftung tätig. Bei netzforma* ist Hannah seit 2018 als Mitglied und seit 2019 im Vorstand aktiv.
Digitalisierung erleichtert es Menschen Care-Arbeiten zu verrichten. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie es um reproduktive Gerechtigkeit in der digitalen Transformation steht konkret mit Blick auf Reproduktionstechnologien. Gerade in diesem Kontext gilt es, alle Akteur*innen in den Blick zu nehmen und strukturelle Diskriminierung vorzubeugen. Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen, ob wir das, was technologisch möglich ist, wirklich wollen, und welche Interessen dabei in erster Linie vertreten werden.
Was wir unter Digitalisierung verstehen ist selbst in hohem Maße auf fürsorgliche Tätigkeiten angewiesen. Das, was gemeinhin unter Digitalisierung verstanden wird – algorithmische Systeme, soziale Medien und Newsfeeds –, basieren auf von Menschen geleisteten Care-Arbeiten. Das schließt Menschen mit Behinderung nicht aus. Digitalisierung und Care-Arbeit sind seit jeher geprägt vom Wissen vulnerabler Gruppen.
Woran denkst du bei den Stichworten Care & Digitalisierung und wie gehören sie für dich zusammen?
Wie stellt sich Fürsorge in einer digitalisierten Gesellschaft für Menschen mit Behinderungen dar? Gibt es hier Aspekte, die einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen?
Kann Digitaltechnik uns dabei helfen, reproduktive Arbeit in Zukunft gerechter zu verteilen? Wenn ja, wie?
Transkription
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