Trans-Elternschaft im digitalen Raum

Neben cis-heteronormativen Familienmodellen bieten soziale Medien auch Platz für eine Vielfalt von Familienmodellen und Communitybuildiung abseits der Norm – doch das ist alles andere als konfliktfrei und stets dominiert und abhängig von ökonomische Interessen.

von Maya

  1. Woran denkst du bei den Stichworten Care & Digitalisierung und wie gehören sie für dich zusammen?
  2. Welche Bedeutung haben digitale Medien und Technologien für queere/trans* Elternschaft? Sind sie eine Bereicherung oder werden hier Ausschlüsse (re)produziert?
  3. Wie können digitale Medien dazu beitragen, ein diverses, inklusives und feministisches Bild von Sorgearbeit und Elternschaft zu festigen – und was braucht es, um diese Plattformen als marginalisierte/ von Diskriminierung betroffene Person sicher nutzen zu können?

Transkription

Ich finde es auffällig, wie wenig die Digitalisierung zu einer Erleichterung von Care beigetragen hat. Klar ist es praktisch für unsere Familienorganisation, einen Kalender oder eine Einkaufsliste online mit anderen teilen zu können. Aber spezifische Apps für Care existieren kaum oder sind so grottenschlecht. Wie unsere Kita-App, die für teures Geld im Wesentlichen nur den früheren Mailverteiler ersetzt hat – weil die anderen Features an den Use Cases des Kita-Alltags einfach vorbeigehen. Und ich glaube das hat auch etwas damit zu tun, dass digitalisierte Prozesse fast nur für das entwickelt werden, was im Kapitalismus eben als monetär verwertbar gilt.

Dass Care so wenig Wert zugesprochen wird, ist andererseits erst durch Blogs und soziale Medien überhaupt in der breiten gesellschaftlichen Diskussion angekommen. Richtig viel verändert hat sich also durch die dadurch mögliche überregionale Vernetzung und Communitybildung. Als ich meinen Twitter-Account @MayaMitKind erstellt habe, um über mein spezifisches Erleben von Elternschaft als trans Frau zu schreiben, wusste ich noch nicht, wie viele Menschen ich damit mal erreichen und inspirieren würde. Für queere Eltern bedeutet es so viel, wenn sie sich in den Diskussionen um Elternschaft wiederfinden können und gegenseitig Mut zusprechen können, dass sie auf dem richtigen Weg sind in einer Gesellschaft, die durch enorm starke Normen von Monogamie, Heterosexualität und Cisgeschlechtlichkeit queere Menschen stets unter den Verdacht stellt, kein geeigneter Rahmen für das glückliche Aufwachsen von Kindern zu sein. Und auch nicht-queere Menschen haben so die Chance, zu merken, dass es Alternativen gibt zu den gesellschaftlich gepushten Narrativen und Zwängen.

Leider sind die meisten sozialen Medien auch voll von abschätzigen Bemerkungen und fiesem Harassment durch queerfeindliche Gestalten, die queere Eltern bei jeder Gelegenheit die Legitimität absprechen, sogar uns als „Groomer“ bezeichnen, also ein Motiv sexualisierter Gewalt unterstellen, als ob wir unsere Kinder durch bloße Elternschaft misshandeln würden. Das nimmt halt so absurde Maße an – zum Beispiel als ich zuletzt über die Möglichkeit sprach, wie trans Frauen ihre Kinder an der Brust anlegen und darüber ihnen große Sicherheit und mütterliche Nähe und Fürsorge bieten können. Transfeinde bezeichneten mich dafür als narzistische Fetischistin. Anstatt eine Pluralität von Elternschaftsmodellen zuzulassen, wollen diese A*löcher uns niedermachen, um ihre eigene Überlegenheit festschreiben.

Soziale Medien sind derweil überwiegend interessiert an Kontroversen, weil jeder Streit die Impressions und damit die Werbeeinnahmen nach oben pusht. Hier gibt es dringend Verbesserungsbedarf, beispielsweise durch gesetzliche Regelungen und ein erzwungenes konsequentes Vorgehen gegen Hass und Hetze. Bisher ist da verdammt wenig passiert, obwohl der Gesetzgeber da ja was umsetzen könnte. Gerade mit der Twitter-Übernahme von Elon Musk habe ich ehrlich gesagt wenig Hoffnung darauf, dass sich da so schnell was tun wird. Und ja, die Frage ist dann: wo kann ich überhaupt weiterhin mich vernetzen und weiterhin anderen Menschen Mut machen, um eben diese Stärken der Digitalisierung weiterhin nutzen zu können?