Schlagwort: Schwangerschaft

  • Women on Web für ein Web for Women

    Für sichere Schwangerschaftsabbrüche spielt das Internet seit langer Zeit schon eine wichtige Rolle – nicht nur können hier umfassende Informationen gefunden und abgerufen werden –, sie ermöglichen auch den Zugang zu sicheren Abtreibungen. Dabei geht die einfache Gleichung aus Digitalisierung und sicherer Abtreibung nicht reibungslos auf, vielmehr mischen sich in diese nicht nur die bekannten Abtreibungsgegner*innen ein. Auch große Tech-Unternehmen erschweren durch ihre permanente Suchmaschinenoptimierung den Zugang zu sicheren Informationen rund um Abtreibungen.

    von Women on Web

    Illustrationen: Lucie Langston

    Als die Ärztin Rebecca Gomperts die NGO Women on Web vor 17 Jahren gründete, war das Internet noch ein anderer Ort. Es bot die perfekte Plattform, um die Welt der Abtreibungsversorgung auf den Kopf zu stellen. In ihrem Fall erfüllte es tatsächlich die Hoffnung auf einen freien Ort der Möglichkeiten, den damals so viele im Angesicht der sich rasch verändernden Technologie erwarteten. Mit ihrem anarchistischen Geist bahnte Rebecca neue Wege, sie umging geschickt die Regeln dutzender Länder – eine Art der Revolution. Denn Women on Web war 2005 der erste internationale Anbieter für telemedizinische Abtreibungen. Ungewollt schwangere Menschen, darunter viele aus Ländern mit restriktiven Abtreibungsgesetzen, konnten und können bis heute nach einer Hilfsanfrage auf der Internetseite Abtreibungsmedikamente nach Hause erhalten und die Abtreibung sicher in selbst gewählter Umgebung vornehmen. Begleitet werden sie dabei von Anfang bis Ende per E-Mail.       

    Abtreibung + Internet = Selbstbestimmung ?

    Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Suchmaschinenoptimierung war die erste Internetseite von Women on Web das pure Chaos, sie war eine Art unzusammenhängendes Notizbuch von Rebecca, bestehend aus einer eklektischen Mischung von Texten und Bildern. Aber es funktionierte. Women on Web machte damit selbstbestimmte medikamentöse Abtreibungen, die zu dieser Zeit noch viel mehr als heute polarisierten und von der allgemeinen Öffentlichkeit und auch unter medizinischem Personal kontrovers diskutiert wurden, kurzerhand für Menschen auf der ganzen Welt zugänglich. Rebecca gab die Informationen und die Pillen zurück in die Hände derer, die sie nutzten und stellte damit die bestehenden Machtverhältnisse und die Autorität der Ärzt*innenschaft in Frage, die die Informationen bisher bewusst oder unbewusst zurückhielten.          

    Heute haben sich die Bedingungen unserer Arbeit stark verändert. Zwar nutzen immer mehr, gerade auch junge Menschen Onlineangebote im medizinischen Bereich und auch die Pandemie hat den Bedarf an telemedizinischen Abtreibungen in die Höhe schießen lassen. Doch die Versorgungslage gestaltet sich mühsam. Die Variable mit dem größten Einfluss auf unsere Tätigkeit heute ist ein Algorithmus. Das Unternehmen Google beispielsweise führt regelmäßig sogenannte Core Updates aus, mit dem Ziel, Suchergebnisse zu präzisieren oder etwa Fehlinformationen zu Covid einzudämmen. Im Mai 2020, kurz nach Beginn der Pandemie, fand ein solches Update statt. Innerhalb von 48 Stunden brach die Zahl der Seitenbesucher*innen um 75% ein. Tausende Menschen, die mehr denn je auf unsere Hilfe angewiesen waren, konnten uns online nicht mehr finden. Bis heute haben sich die Zahlen nur wenig gebessert.

    GOOGLE Schriftzug , davon sind drei o's in Pillenform, durch die Buchstaben zieht sich ein Metallkleiderbügel in umgekehrt und unter dem Schriftzug spiegeln sich die Buchstaben G und gle.

    Abtreibungsgegner: Big Tech’s Algorithmen

    Deutlich wird, dass es nicht nur die klassischen Abtreibungsgegner*innen sind, die in der Politik, mit fundamentalistischen Auftritten vor Kliniken oder mit Webseiten, auf denen Fehlinformationen vertrieben werden, den Zugang zu Informationen und sicherer Abtreibungsversorgung von unzähligen Menschen auf der ganzen Welt massiv erschweren, sondern auch die vermeintlich progressiven Tech-Unternehmen. Begründet wird jegliche Veränderung durch die Unternehmen damit, dass die Suchergebnisse stetig verbessert würden. Doch im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit scheitern sie damit kläglich. Ein gutes Beispiel ist eine polnische Scam-Website. Sie besteht zum Teil aus Wort für Wort von unserer Website kopierten Inhalten und wird zuverlässig als Top-Suchergebnis angezeigt. Verzweifelte ungewollt schwangere Menschen werden erst zu einer Zahlung in Bitcoin aufgefordert und später auf unsere Website weitergeleitet. Die von Google verwendeten Kriterien von Expertise und Vertrauenswürdigkeit greifen offensichtlich nicht. Das Suchergebnis ist nicht nur irrelevant, sondern behindert sogar den dringend notwendigen Zugang zu Abtreibungsmedikamenten sowohl zeitlich als auch finanziell.       

    Die (digitale) Zukunft telemedizinischer Schwangerschaftsabbrüche

    Nach der Pionierarbeit, die feministische Organisationen, Ärzt*innen und Forscher*innen jahrelang geleistet haben, empfiehlt selbst die Weltgesundheitsorganisation mit ihren aktuellen Richtlinien zu sogenannten “self-managed abortions”, also sicheren Abtreibungen ohne physischen Kontakt zu medizinischem Personal, die Arbeitsweise von Women on Web. Es ist der Algorithmus, der den aktuellen Entwicklungen von Telemedizin weit hinterher hinkt. Nicht nur Women on Web, sondern viele Organisationen, die zu sexueller und reproduktiver Gesundheit arbeiten, navigieren unter diesen erschwerten Bedingungen. Um dem geeint zu begegnen hat Women on Web gemeinsam mit Women First Digital weitere Organisationen und Akteur*innen versammelt. Gemeinsam wurden Lösungsansätze formuliert, die im Laufe des Jahres veröffentlicht werden. Denn es braucht dringend Transparenz zu Content Moderation und Google Algorithmus Updates im Gesundheitsbereich, Maßnahmen gegen Fehlinformationen zu Abtreibungen sowie bessere Kriterien zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit von Websites und Organisationen.    

    Auch nach 17 Jahren kämpft Women on Web weiter für den einfachen Zugang zu Abtreibungsmedikamenten, auch wenn sich dieser Kampf stetig verändert. Denn wir vertrauen den Frauen und schwangeren Menschen und wir vertrauen den Pillen.

  • Mirjam Peters

    Foto: © OliverTjaden

    Mirjam Peters ist Hebamme und promoviert im Bereich Public Health zu den Zielen und der Qualität der Hebammenversorgung aus der Perspektive der Nutzerinnen. Sie ist Co-Gründerin der uma-App, einer App für mehr Gesundheit und Selbstbestimmung rund um die Geburt. 

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    Digitale Schwangerschaftsbegleitung für mehr Selbstbestimmung, Empathie und Wissenschaft

  • Dr. Mandy Mangler

    Dr. Mandy Mangler hat in Berlin studiert, ist an der Charité Fachärztin geworden, promoviert, habilitiert, Gynäkologische Onkologin, Chefärztin seit 2016, an zwei Kliniken seit 2021, Fan von Digitalisierung, lean management, Vereinbarkeit und Spaß bei der Arbeit.

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    Digitalisierte Krankenhäuser

  • Dr. med. Jana Maeffert

    Jana Maeffert ist Gynäkologin in einer Gemeinschaftspraxis in Berlin (Gyn-Praxis Nova). Sie setzt sich seit vielen Jahren für die Verbesserung der Versorgung von ungewollt Schwangeren ein. Sie ist im Vorstand von „Doctors for Choice Germany“ und Mit-Autorin des Buches „Schwangerschaftsabbruch und gestörte Frühschwangerschaft-ein Praxishandbuch (Springer Verlag Heidelberg)“.

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    Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch zuhause – Möglichkeiten digitaler Unterstützung

  • Anan Fries

    Anan Fries ist digital & performing artist. They ist Mitbegründer*in des Game-Theater-Kollektivs machina eX, welches für seine immersiven, gamifizierten Erlebnisse bekannt ist. Außerdem ist Anan Fries Mitbegründer*in von Henrike Iglesias, einem experimentellen Performance-Kollektiv mit starker Liebe für Pop und Politik. They forscht zur Zeit an hybriden (phygitalen) Ästhetiken. In Zusammenarbeit mit der Sound Künstlerin Malu Peeters entstand VIRTUAL WOMBS, ein Hybrid aus Spatial Sound Installation, live Performance und VR-Erlebnis, das sich mit posthumanen Perspektiven auf Transformation und Schwangere Körper beschäftigt.

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    Wer wird die Menschheit der Zukunft zur Welt bringen?

  • Wer wird die Menschheit der Zukunft zur Welt bringen?

    Dieser Artikel ist zuerst im Missy Magazin am 13.01.2022 erschienen. Mit freundlicher Unterstützung des Missy Magazins dürfen wir ihn an dieser Stelle erneut abdrucken.

    von Ulla Heinrich mit Bildern von Hairygaze / Anan Fries

    Die VR-Arbeit „Virtual Wombs“ fordert die Vorstellung von Frau- und Muttersein radikal heraus.

    Eine Schwangerschaft ist für einen Körper eine besondere Erfahrung: Besonders schön, besonders schwierig, besonders herausfordernd. Eine Schwangerschaft kann detailliert geplant werden, kann ein Versehen sein, kann sogar durch Gewalt entstehen. Im schwangeren Körper explodieren die Hormone, er weitet sich und expandiert, ein neues Lebewesen wächst in einem bereits bestehenden Lebewesen heran. Eine Schwangerschaft ist eine extreme Erfahrung. 

    Welche Körper jedoch schwanger werden, ist in der Gesellschaft klar definiert: Frauenkörper. Denn Schwangersein ist eng mit einer cis normativen Konstruktion von Frau- und Muttersein verknüpft. 

    Die VR-Arbeit „Virtual Wombs“ von Anna Fries und Malu Peeters fordert diese Vorstellung radikal heraus. In entspannter Atmosphäre werden die Zuschauer*innen in dieser hybriden Theaterperformance auf eine anregende Reise in eine virtuelle Welt geschickt. Dabei geben die Künstler*innen nicht nur wichtige Antworten auf die Frage, von wem eigentlich eine Menschheit der Zukunft geboren wird, die sich von binären und limitierenden Vorstellungen von Geschlecht befreit hat, sondern erproben auch neue theatrale Praktiken an der Schnittstelle von Performance und Technologie.

    Ein*e Theater-Zuschauer*in kann mit dem Kauf eines Tickets zumeist auf Gewohnheiten vertrauen. Es gibt einen Publikumsraum, davon getrennt eine Bühne, einen festgelegten Zeitraum, in dem die eigene Aufmerksamkeit mehr oder minder auf das Geschehen auf der Bühne fixiert ist. Hybride Theaterformen verlassen diese gewohnte Matrix und experimentieren mit neuen Macharten entlang der Achsen Theater, Publikum und Technologie.

    Für „Virtual Wombs“ nehmen die Zuschauer*innen in einer kreisförmigen Anordnung Platz, mit Abstand versteht sich, jeweils auf einem Drehstuhl. Umgeben sind sie von einer LED-Lampenkonstruktion, die im Verlauf auch selbst Darsteller*in wird. Nach einer liebevollen Begrüßung, die jedes anwesende Leben wertschätzend hervorhebt und verdeutlicht, welch ein unwirklicher Zufall doch jede Existenz eigentlich ist, folgt ein einnehmender Tanz aus blinkendem LED-Licht, der an die klassische Science-Fiction-Erzählung vom Computer mit weiblichem Geist erinnern lässt. In Filmen aus den 1970er-Jahren verlieben sich diese Computer zumeist in ihre Erschaffer, werden eifersüchtig und drehen am Ende völlig durch. Typisch Frau! Doch diesen sexistischen Vorstellungen von Gender und Technik setzen Fries und Peeters mit inszenatorischer Feinheit neue Narrative entgegen. Das Spiel des LED-Lichts gibt den Zuschauer*innen die Chance anzukommen und zeigt an: Als nächstes wird eine immersive Technologie übernehmen. Nicht alle Zuschauer*innen haben Erfahrungen mit virtuellem Theater, daher ist diese Akklimatisierung ein notwendiger, gekonnter Teil der Inszenierung. 

    Die Grenzen zwischen den Macher*innen und Teilnehmer*innen der gemeinsamen performativen Erfahrung verschwimmen, die Technikpults und die Menschen, die diese bedienen, sind am Rande der Zuschauer*innen-Fläche sichtbar. Technik wird so entzaubert, wir sehen was funktioniert und nicht funktioniert, wer agieren muss, damit die Inszenierung läuft. Dies ist insofern ein feministischer Ansatz im Umgang mit Technik, da es die patriarchale Strategie offenlegt, Technik als so schwierig (und auch irgendwie mystisch) zu konstruieren, dass angeblich nur Männer diese bedienen können.

    Die Szenerie erinnert an eine Flugzeugreise mit Fluggästen, die diese Erfahrung zum ersten Mal machen. Eine körperlose Stimme erklärt, wie die VR-Brille zu nutzen ist, dass es durchaus dazu kommen kann, dass mensch körperlich auf die VR reagiert, dass einem*r sogar schlecht werden kann. Diese Ansagen sind eine Mischung aus den Sicherheitsvorkehrungen im Flugzeug und Awareness-Zetteln in Clubs, ebenfalls eine feministische Errungenschaft, um FLINT-Personen zu empowern, aufeinander zu achten und sich gegenseitig zu informieren, wenn etwas nicht in Ordnung ist.

    Insgesamt gibt das Stück großzügigen Raum zum Durchatmen. Die fast sechzig Minuten vergehen – analog zur Atmosphäre der Inszenierung –  wie im Flug, was der angenehmen und entspannten Ansprache sowie den anregenden Inhalten zu verdanken ist. Sobald wir die VR-Brille aufgesetzt haben, fliegen wir durch einen Geburtskanal, sozusagen rückwärts in eine Welt, in der wir verschiedene schwangere Avatare antreffen. Eines haben diese Wesen alle gemeinsam: Sie existieren außerhalb der körpernormativen cis hetero Narration über Schwangerschaft, sie sind nichtbinär, sie sind trans, sie sind behindert. Welcher der Charaktere wirklich schwanger ist und welcher von den Macher*innen virtuell geschwängert wurde, bleibt dabei unbenannt. 

    Wir dürfen die Schönheit und transformativ-emanzipatorische Kraft des posthumanen schwangeren Körpers bewundern. Als Zuschauer*innen können wir uns in den Welten und Szenen angeleitet bewegen – in der Offline-Welt wirbeln wir auf unserem Drehstuhl herum und schauen nach oben und unten. Wir fühlen, dass wir im Inneren von etwas sind. Sei es ein Uterus, ein Computer oder ein Traum. Die virtuellen Wesen, auf die wir in dieser Welt treffen, sind größer als wir. Ihre schwangeren, nichtbinären und trans Körper sind wunderschön, mächtig und ermächtigt. Wir dürfen schauen, wir sollen hinsehen. Die Figuren wandeln an uns vorbei oder sogar durch uns hindurch. Sie brauchen unsere Bestätigung nicht, aber wir dürfen etwas von ihnen lernen. Darüber, welche Pluralität an Körperrealitäten und Erfahrungsräumen für Schwangerschaft grundlegend ist, wenn wir uns aus dem engen Korsett geschlechtlicher Binarität befreien und einen Schritt in die Zukunft wagen. 

    Zwischen den Szenen, die mit der VR-Brille in der virtuellen Welt erlebt werden können, finden kurze performative Sequenzen im Theaterraum statt. Der Kontrast zur virtuellen Welt, durch die wir körperlos hindurchfließen und in der wir keine eigenen Körper haben, wenn wir mit der VR-Brille an uns selbst herunterschauen, macht diese Performance in besonderer Weise anziehend. Selbst eine der Personen, die wir in der virtuellen Welt kennengelernt haben, sitzt plötzlich leibhaftig im Zuschauer*innenraum, sodass jeder Schweißtropfen, jeder Atemstoß und jede Bewegung den nicht-virtuellen Körper ganz konkret in Kontrast zum virtuellen Körper setzt.

    Die Performer*in bewegt sich durch die Zuschauer*innen, eine plötzliche immersive nicht-digitale Erfahrung, kommen wir doch aus einer virtuellen Welt, in der Sinneseindrücke sehr abstrakt sind, da wir nur mit zwei Sinnen (Hören und Sehen) operieren. Die Performancesequenzen erden die Zuschauenden im Hier und Jetzt zwischen den Fahrten in der virtuellen Welt. 

    Im Gegensatz zu gängigen Klischees, ist Humor ein wichtiger Aspekt feministischer Kunst. Deshalb begegnet uns im virtuellen Teil von „Virtual Womb“ auch immer wieder „Dolly“, ihreszeichens weltberühmtes Schaf und erstes vollständig geklontes Säugetier. Damit wird eine der zentralen feministischen Utopien thematisiert: Menschen mit Uterus können nur frei sein, wenn sie auch von der Gängelung der Reproduktion körperlich befreit werden. Dass Szenarien wie das dystopische Fötusfeld im Science-Fictio-Epos „Matrix“ auf Fragen nach Reproduktion außerhalb des menschlichen Uterus nicht die einzige Antwort ist, zeigt uns „Virtual Wombs“. Natur und Technologie stehen nicht im Kontrast zueinander, die Post-Humanen Körper reihen sich reibungslos in diese „New Reality“ ein. 

    Mit „Virtual Wombs“ haben Fries, Peeters und ihr Team wichtige Impulse dafür entwickelt, wie hybride Performances im Theater heute aussehen können, wie das Publikum in einer immersiven performativen Situation begleitet werden kann, und welche dramaturgischen Ansätze notwendig sind, wenn ein Theaterstück zwischen virtuell und IRL wechselt. Die angebotenen Transformationen und Mutationen des schwangeren Körpers sind auch auf das Theater an sich zu beziehen, das nun, nach zwei Jahren der pandemiebedingten Spielunfähigkeit, Technologie als gesellschaftliche Kraft und theatrales Mittel endlich ernst nehmen dürfte. 

    Die virtuelle Reise beginnt und endet in einem digitalen Geburtskanal, aber ob wir nun neu geboren wurden oder uns doch lieber in den Bauch unserer digitalen Übermutter zurückziehen, bis eine bessere Zukunft begonnen hat, das bleibt uns überlassen.

  • Retraditionalisierung auf Instagram

    Zurück in die 1950er gescrollt – wie Social Media ein veraltetes Rollenverständnis propagiert

    Instagram ist voll von Bildern über Schwangerschaft, Kinder und Familie – alles erscheint dort natürlich, idyllisch und perfekt. Wer nach dem chaotischen Familienalltag, der Vereinbarkeitskluft oder kritischen Auseinandersetzungen mit einem modernen Mutterideal sucht, muss wirklich tief graben.

    von Lisa Trautmann

    Mein Instagram-Algorithmus wusste von meiner Schwangerschaft, lange bevor ich einigen meiner besten Freund*innen davon erzählt hatte. Sie fiel in den zweiten Lockdown im Herbst und Winter 2020, während dem es noch zu großflächigen Schließungen kam und soziale Kontakte stark reglementiert und reduziert wurden. Möglichkeiten für direkten Austausch gab es für mich also wenige. Logisch, dass Instagram zu einer meiner bevorzugten Anlaufstellen für Wissensaneignungen für alles wurde, was meine neue Peer-Group (werdende Mütter und Eltern) auf Social Media mit der Welt teilte. Schwanger mit Smartphone tat ich, was man schwanger mit Smartphone tut: Ich tauchte ein in die Social-Media-Welt der #momtobes und versuchte mir vorzustellen, was da auf mich zukommt und wie in wenigen Monaten mein Leben aussehen könnte.

    Ich ließ mich meist ziellos berieseln, machte mich aber auch gezielt auf die Suche nach Antworten auf meine bisweilen banalen Fragen. Wie kann man so einen wachsenden Bauch eigentlich schön stylen? Wo finde ich nachhaltige Babykleidung? Warum ist mein Fuß taub? Was essen andere Schwangere eigentlich so? Ich scrollte und speicherte und scrollte und likte. Folgte Hashtag auf Hashtag (#ssw-wowarichdochgleich?), scrollte weiter und tat das alles für lange Zeit mit recht unkritischen Augen. Ich sah glatte, makellose, überwiegend weiße Bäuche. Schwangere, die Erstausstattung im Wert eines Kleinwagens shoppten. Lachende Frauen, die ihren Bauch streichelten, der scheinbar das einzige Körperteil war, das im Laufe der Schwangerschaft größer geworden war. Zufriedene #futuremoms, die ihre #preggolooks präsentierten und die es irgendwie schafften, mit einem kleinen Menschen im Bauch noch immer ein sorgenloses #thatgirl zu sein. Was mir allerdings kaum bis gar nicht in den Feed kam: Regenbogenfamilien, Trans-Schwangerschaften, behinderte Mütter und Kinder, Bäuche mit Dehnungsstreifen, BIPoCS, dick_fette Schwangere, Geldnot und so weiter. Kurz: Die Realität.

    Schwangerschaft als Reichweiten-Booster

    Content rund um die Themen Kinder, Schwangerschaft und Familie ist ein Reichweiten-Booster in den sozialen Netzwerken. Unsere Gesellschaft lechzt nach privaten Einblicken in auch den banalsten Familienalltag. Das wissen natürlich auch Instagram, YouTube und Co. und belohnen derlei Inhalte mit Reichweite und Sichtbarkeit. Allerdings nur Content, in dem Frauen glücklich ihrem Nestbautrieb nachgehen und ihr perfektes Familienleben teilen und scheinbar sorgenfrei in die Zukunft blicken. Die kritischen, die gesellschaftlichen Strukturen hinterfragenden und auf Probleme aufmerksam machenden Inhalte gibt es, sie werden aber vom Algorithmus lieber unter den Teppich gekehrt und man muss schon gezielt auf die Suche gehen, um hier fündig zu werden. Es ist im Netz eben wie in unserer Gesellschaft: von Schwangeren und Müttern wird erwartet, dass sie sich freuen und dankbar sind. Das Verständnis von Schwangerschaft, Mutterschaft und Familie, das auch auf Instagram propagiert wird, ist nicht nur einseitig, sondern bisweilen reaktionär und nährt nicht nur eine Retraditionalisierung der Rollenverteilung in einer Beziehung, sondern klammert eine Reihe anderer Lebenskonzepte komplett aus.

    Digitales Wiederbeleben der 1950er Rollenbilder

    Zum einen sind es gerade beim Thema Schwangerschaft und Geburt zu 99 Prozent weiblich gelesene Userinnen, die den relevanten Content teilen und sich austauschen, was den Diskurs sehr einseitig macht. Zum anderen wird sich eines Narrativs bedient, das wenig bis gar keine Selbstkritik und -reflexion an diese Frauen- und Mutterrolle transportiert, die eher den normativen Erwartungen von 1950 als 2020 entspricht. In der Care-Arbeit wird gerne und viel vom Gatekeeping durch überambitionierte Mütter gesprochen. Ich halte das für Humbug, denn es wäre das erste Mal, dass sich Männer so einfach die Butter vom Brot nehmen lassen in einem Bereich, in dem sie gerne mitsprechen würden. Tatsächlich wird zum Großteil vor allem ein Bild von Müttern vermittelt, die von Schwangerschaft bis Geburt alles bestens gewuppt bekommen und die im Anschluss an ein „magisches“ Wochenbett mindestens ein Jahr zu Hause bleiben, bevor sie in Teilzeit in ihren Job zurückkehren. Man kann hier schon von toxic positivity sprechen. Das Fatale ist, dass an all diesen Messages ein langer Rattenschwanz hängt, der sich noch in der Generation unserer Eltern in einem Gender Pension Gap von rund 26 Prozent äußert.

    Wie kann es sein, dass zwischen Social Media und dem Kampf und den Errungenschaften des Third- und Fourth-Wave-Feminism im echten Leben so eine krasse ideelle und inhaltliche Schere besteht? Ich habe hierzu wenig bis keine Informationen gefunden. Ein ganz subjektiver Gedanke hierzu ist, dass es sich bei Instagram um ein Unternehmen von Meta (ehemals Facebook) handelt und allein deshalb schon eine Zensur stattfindet. Das amerikanische Meta ist ja nun nicht gerade für seine Offenheit gegenüber modernen Liebes- und Lebensentwürfen bekannt. Vielleicht lag es auch am Corona-Lockdown, während dem ein retraditionalisierten Verständnis von Partnerschaft und Care-Arbeit vielfach wieder bemerkt und diskutiert wurde. Krisen werfen uns mental zurück in Strukturen, die vermeintlich sicherer und geordneter waren. Fakt ist, dass immer wieder vorgelebte Strukturen, und sei es „nur“ auf Social Media, sich in das kollektive Gedächtnis einbrennen und zum Normalzustand erklärt werden. Einerseits geht es um das Rollenverständnis, das ab dem Punkt der Empfängnis das Thema Kind zur Frauensache erklärt, andererseits wird hier die existierende bunte Familienrealität unserer Gesellschaft nicht ausreichend repräsentiert. Die mit Abstand erfolgreichsten Accounts und Posts erzählen aus dem Leben von Cis-Hetero-Familien. Homo-Paare oder behinderte Eltern oder Eltern von behinderten Kindern müssen mit Adjektiven wie „mutig“, „inspirierend“ oder „stark“ vorliebnehmen. Ein digitales Dasein als motivierender Wandsticker.

    Die Realität verbessern, statt sie zu verdrängen

    Inzwischen ist es besser geworden, eventuell habe ich nach eineinhalb Jahren als Mutter aber auch die Accounts gefunden, die die ganze Wahrheit abbilden. Themen wie parental Burn-out, unbezahlte Care-Arbeit durch Frauen, Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, Wochenbettdepression, Schlafmangel und Überforderung. Zukunftsängste, Paartherapien und Streit. Behinderte Kinder und / der Eltern. Bunte Familienmodelle aller Arten. Echte Postpartal-Bodys und Geburtstraumata. Mütter und Frauen, die wütend sein dürfen und undankbar und denen es gestattet wird, zu bereuen und die ihr Kind oder ihre Kinder trotzdem über alles lieben. Die sich weigern, zu Hause zu bleiben und gemeinsam mit ihren (getrennten) Partner*innen vorleben, wie Elternsein, Lohnarbeiten und man selbst bleiben in 2022 funktionieren kann. 

  • Women on Web

    Women on Web ist eine NGO bestehend aus Ärzt*innen, Künstler*innen, Forscher*innen und Aktivist*innen, die 2005 von der niederländischen Ärzt*in Rebecca Gomperts gegründet wurde. Seitdem kämpft Women on Web kontinuierlich für den sicheren und einfachen Zugang zu Abtreibungspillen. Besonders bekannt ist sie für den telemedizinischen Service in 16 Sprachen, der Menschen auf aller Welt zu einer Abtreibung zu Hause verhilft.


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    Women on Web für ein Web for Women

  • Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch zuhause – Möglichkeiten digitaler Unterstützung

    Nicht alle Schwangeren wollen Eltern werden – umso wichtiger ist es, ein sicheres Angebot für Schwangerschaftsabbrüche zu schaffen und für alle frei zugänglich zu gestalten.

    von Jana Maeffert und Dani Nikitenko

    Abtreibungsverbote verhindern Schwangerschaftsabbrüche nicht, sie machen sie nur unsicher für ungewollt Schwangere. Dieser Satz sollte mittlerweile allgemein bekannt sein und kann nicht oft genug wiederholt werden. Doch bis heute sind Abtreibungen reglementiert und mit Stigmata belegt. Damit einher geht, dass ungewollt Schwangere schwer oder nur kriminalisiert an korrekte Informationen gelangen. Dieser Umstand erhöht die Gefahr, dass durch Falschinformationen Ängste entstehen und die Sicherheit der ungewollt schwangeren Person gefährdet ist.

    Ende der 1980er Jahre gab es eine revolutionäre Entwicklung: die Medikamente Mifepriston und Misoprostol ermöglichen seit 1988 eine sichere Methode der Schwangerschaftsbeendigung, die ohne fremde Hilfe angewendet werden kann. Bis zur Einführung dieser Methode war ein selbstinduzierter Schwangerschaftsabbruch in der Regel mit einem hohen Verletzungsrisiko verbunden. Noch Immer sterben nach Schätzungen der WHO und Ärzte ohne Grenzen mehr als 20.000 Personen jährlich an den Folgen von mechanischen Versuchen, den Uterus zu entleeren, oder an Vergiftungen, die zum Beispiel durch die Verwendung von pflanzlichen Mitteln verursacht werden.1

    Abbildung 1: Weltweite Zulassung von Mifepriston, mit freundlicher Genehmigung von Gynuity.

    Der Hauptgrund für jeden dieser Todesfälle ist, dass Entscheidungsträger*innen mit restriktiven Gesetzen einen sicheren Zugang verhindern. Mifepriston ist in vielen Ländern nicht legal erhältlich. Wir können annehmen, dass die (illegalisierte) Bereitstellung von Medikamenten durch NGOs wie der kanadischen gemeinnützigen Organisation Women on Web, die Hilfe und Informationen zu sicherer Abtreibung und Empfängnisverhütung anbietet, in den letzten Jahren tausende von Menschenleben gerettet hat.

    Dieser Artikel stellt drei Projekte aus Deutschland vor, die digitale Mittel nutzen, um ungewollt Schwangere zu unterstützen. Entscheidend ist dabei einerseits das Verschicken der Medikamente und andererseits das Bereitstellen von leicht zu verstehenden Informationen hinsichtlich der Möglichkeiten von Schwangerschaftsabbrüchen im Netz.

    Wie funktioniert ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch (mSAB)?

    Ein mSAB (medikamentöser Schwangerschaftsabbruch) ist das Auslösen einer Fehlgeburt (Abort) durch eine Kombination aus verschiedenen Medikamenten. Dabei erlebt die schwangere Person über einige Stunden eine überregelstarke Blutung, die dann wieder nachlässt. Häufig ist diese Blutung mit krampfartigen Schmerzen verbunden. Nur sehr selten ist außer Schmerzmitteln und liebevoller Zuwendung eine ärztliche Therapie notwendig. Ein mSAB unterscheidet sich außer des gewollten Beginns medizinisch und physiologisch nicht von einer Fehlgeburt.

    Der Vorgang läuft dabei wie folgt ab: Für das Auslösen der Blutung nimmt die schwangere Person zunächst eine Tablette Mifepriston ein. Dadurch wird die Wirkung des Hormons Progesteron blockiert, welches für die Erhaltung der Schwangerschaft notwendig ist. Etwa 36 – 48 Stunden später nimmt sie das zweite Medikament Misoprostol ein, das Kontraktionen des Uterus bewirkt und so die Blutung auslöst. Die Medikamente selbst weisen geringe bis keine Risiken wie etwa allergische Reaktionen auf. Bei der Einnahme von Misoprostol treten häufig Nebenwirkungen, wie Übelkeit und Erbrechen, in einigen Fällen auch Kreislaufprobleme auf. Sie verschwinden in der Regel nach wenigen Stunden von alleine wieder. Die Beendigung der Schwangerschaft kann durch einen Ultraschall oder einen speziellen Schwangerschaftstest, der weniger sensibel als ein normaler ist, bestätigt werden. Häufig kommt es nach dem Abbruch noch zu Schmierblutungen, die bis zur nächsten Menstruation anhalten können.

    Zahlreiche internationale Studien haben die Sicherheit dieser Methode bewiesen und zeigen zudem, dass die meisten ungewollt Schwangeren die Durchführung zuhause bevorzugen. Dabei ist es für die Sicherheit der Schwangeren unerheblich, ob medizinisches Personal den Prozess begleitet.2 Je früher in der Schwangerschaft die Methode angewendet wird, um so sicherer und verträglicher ist sie. Es ist also entscheidend, wie schnell und zuverlässig die schwangere Person sowohl die richtigen Informationen über die Anwendung als auch die Medikamente bekommt.

    Das Projekt “Schwangerschaftsabbruch zuhause”

    Das Projekt „Schwangerschaftsabbruch-zuhause.de“ wurde ab April 2020 als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie vom Familienplanungszentrum Balance in Berlin, mit Unterstützung vom Verein Doctors for Choice Germany aufgebaut. Die telemedizinische Begleitung bei der medikamentösen Schwangerschaftsbeendigung ist nicht neu und wird schon seit 2006 von Women on Web, die auch benötigte Medikamente versenden, umgesetzt.3

    Der Ablauf gestaltet sich wie folgt: Bei einer ersten Kontaktaufnahme via E-Mail oder Telefon wird geklärt, ob die Voraussetzungen für einen Schwangerschaftsabbruch zuhause gegeben sind. Wenn dies der Fall ist, erfolgt der Transfer der Dokumente, die auch bei einem Präsenztermin in einer ärztlichen Einrichtung notwendig sind, über den datensicheren Kommunikationsdienst “medflex”. Notwendig ist beispielsweise die Einreichung des Beratungsscheins eines anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungszentrums, dies ist in Deutschland in über 95 % der Fälle Pflicht für einen straffreien Abbruch. Erst nachdem alle formalen Vorgaben geklärt wurden, können die Medikamente per Post zugestellt werden. Die Patient*innen werden während des Prozesses durch Ärzt*innen via Videoberatung begleitet und erhalten eine Notfallnummer, die sie bei Komplikationen oder drängenden Nachfragen erreichen können.

    Das Ziel des Projektes war es, zu zeigen, dass eine telemedizinische Begleitung in Deutschland rechtlich möglich ist und damit auch öffentlich bekannt gemacht werden kann. Die Grenzen des Projektes liegen vor allem bei den institutionellen und rechtlichen – medizinisch jedoch nicht notwendigen – Hürden. Ein digitales Angebot für einen Schwangerschaftsabbruch kann beispielsweise Sprachbarrieren reduzieren sowie den Zugang für von häuslicher Gewalt Betroffene oder für Minderjährige unkompliziert und risikoarm ermöglichen. Um den rechtlichen Bedingungen zu begegnen, arbeitet das Projekt „Schwangerschaftsabbruch zuhause“ allerdings anders als Women on Web. So werden beispielsweise ein Beratungsschein und ein Ultraschallbild gefordert. Dass diese Hürden für einige Personen damit immer noch zu hoch sind, zeigen die deutlich niedrigeren Anfragen als an Women on Web. Während in den Jahren 2020 und 2021 die Anfragen an Women on Web bei über 2000 lagen, waren es bei „Schwangerschaftsabbruch zuhause“ nur ca. 250.

    Das Projekt “MedAbb”

    Die MedAbb ist eine App, die Patient*innen bei dem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch begleitet. Aktuell stehen die Inhalte in sechs Sprachen zur Verfügung. Im Verlauf sendet die App Erinnerungen für die Medikamenteneinnahme, informiert über mögliche körperliche Reaktionen und beantwortet häufige Fragen im FAQ. Die App funktioniert auch offline, alle Daten werden lokal auf dem Gerät gespeichert. Bei der ersten Öffnung der App kann die Sprache ausgewählt werden. Es wird außerdem abgefragt, an welchem Tag das erste Medikament eingenommen wurde. Denn die Folgenachrichten, zum Beispiel die Informationen zur Einnahme des zweiten Medikaments, sind davon abhängig. Die MedAbb wird aktuell überarbeitet und soll im Laufe des nächsten Jahres als Open-Source-Projekt veröffentlicht werden. Bis dahin bleibt die aktuelle Version, die bereits vor 5 Jahren entwickelt wurde, in den App-Stores verfügbar. 

    Das Projekt “Mehr als du denkst”

    Seit März 2021 veröffentlicht die Kampagne „Mehr als du denkst“ Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch. Eine Gruppe von Aktivist*innen aus dem Bereich Medizin, Psychologie, Medien und Soziologie entwickelt Posts, die auf Instagram und der Webseite veröffentlicht werden. Damit sollen Falschinformationen und dem Schüren von Ängsten von Abtreibungsgegner*innen sachliche Informationen entgegengesetzt werden. Gerade in den Sozialen Medien wirkt das Echo von Abtreibungsgegner*innen besonders nach. Sowohl Mediziner*innen, Politiker*innen und Personen des öffentlichen Lebens, die sich für einen legalen und sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen, als auch Personen, die sich öffentlich über ihren eigenen Schwangerschaftsabbruch äußern, sind digitaler Gewalt, wie Hate Speech oder Doxxing beispielsweise, vermehrt ausgesetzt.  

    Auf einem roten Teppich liegt ein offenes silbernes Notebook, der Bildschirm ist an aber unscharf. Davor liegen eta zehn verschiedene Chip-Karten wie Kreditkarten verteilt.

    Das Wort Doxxing setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern „document tracing“ und heißt wörtlich übersetzt „Verfolgen von Dokumenten“. Gemeint ist mit Doxing das Sammeln und Zusammentragen persönlicher Daten im Internet, wie z.B. E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Wohnort, Arbeitsstelle, Geburtsdatum, Adresse der Eltern usw. Weitere Informationen zu Digitaler Gewalt wie Doxxing gibt es hier.

    Forderung

    Das Verschicken von Medikamenten und die Durchführung eines frühen medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs zuhause ist sicher. Voraussetzung ist, dass die Medikamente auch tatsächlich die Wirkstoffe enthalten und die kontaktierte Adresse überhaupt existiert. Allein auf der Webseite von Women on Web wird vor etwa 100 Webseiten und Kontaktnummern gewarnt, die potenziell gefährlich für Betroffene sein können. Je restriktiver die Gesetze eines Landes, desto schwieriger ist es für die Betroffenen, seriöse von kriminellen Adressen zu unterscheiden und die gegebenen Informationen zu beurteilen. 

    Auch im Bereich Social Media kann es bei der Verbreitung von richtigen Informationen zu Problemen kommen. Ein aktuelles Beispiel ist der Post „A Guide to Abortion Pills“ (Ein Leitfaden für Abtreibungspillen) des Unternehmens Loom. Der Beitrag wurde von Instagram gelöscht, Loom hat den Beitrag erneut gepostet und die Schlüsselwörter geschwärzt – erst nach dieser Änderung blieb der Beitrag stehen. Mittlerweile ist jedoch auch dieser Post nicht mehr auf Instagram zu finden.

    Eine der zentralen Forderungen an die Politik in Deutschland ist daher, dass sowohl sachliche Informationen als auch die Medikamente leicht zugänglich sein müssen, so dass es für diejenigen, die sie brauchen, gut möglich ist, die Quellen zu prüfen. Darüber hinaus müssen Plattformen wie Instagram in die Verantwortung gezogen werden, damit ein willkürliches Löschen von sachlichen Informationen aus seriösen Quellen nicht einfach passieren kann, während es gleichzeitig keine Regulierung oder Mechanismen zur Bekämpfung von digitaler Gewalt oder Falschinformationen gibt.


    Quellen:

    1. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/abortion
    2. https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.11.11.20229377v2, https://www.acog.org/clinical/clinical-guidance/practice-bulletin/articles/2020/10/medication-abortion-up-to-70-days-of-gestation
    3. https://www.womenonweb.org/en/page/20954/press-release-women-on-web-telemedicine-abortion-service-turns-15